Der dadaistisch-realistische Brenner

„Gerade das Ungeschehene kann man am schwersten ungeschehen machen. Das Ungeschehene hat einen eigenen Willen, das steht wie ein Esel im Tor, bewegt sich nicht vor und nicht zurück und rührt sich nicht von der Stelle.“

Endlich ist er wieder da, nach acht Jahren Pause: Brenner, der berühmte und berüchtigte Ermittler, eine der schrägsten und besten Figuren der europäischen Kriminalliteratur. In Wolf Haas´ „Müll“ (Hoffmann und Campe) arbeitet er bei einem Wertstoffhof in Wien, wo so etwas Mistplatz genannt wird. Und nachdem auf diesem Mistplatz in den Recyclingwannen Leichenteile auftauchen, hat Brenner einen neuen Fall.

Doch eigentlich sind die Ermittlungen völlig egal – Wolf Haas dienen sie nur dazu, saukomisch und hochwertig zu erzählen. Er durchschaut die Menschen in ihrer Liebenswürdigkeit, Boshaftigkeit und Beschränktheit, er philosophiert und fabuliert genial herum und erklärt die Komplexität der modernen Welt. Der Erzähler im Roman ist ein Schlaumeier, der dadaistisch-realistisch daherredet, zum Beispiel über den Unterschied zwischen Faulheit und Trägheit, langfristig aufgestaute Ehewut oder darüber, dass Schuldnerberatung viel leichter ist als Schuldberatung.

Viele Autor*innen haben versucht, den Brenner-Stil zu kopieren, doch das Original bleibt unerreicht: Wolf Haas überzeugt erneut als Satzumbaumeister,  Sprachverdreher und Wortkünstler. Niemand fängt die Absurditäten des österreichischen Alltags so gekonnt ein wie er, und seine scheinbar sinnfreien Dialoge haben mir so viel Spaß gemacht wie schon lange kein anderes Buch mehr.

„Man kann nicht alles gleichzeitig verstehen. Es braucht immer ein Hintereinander bei den Gedanken. Ein Hintereinander und ein Nebeneinander. Aber kein Durcheinander. Und am allerwichtigsten, eine klare gedankliche Unterscheidung.“

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