Erst 3, dann 4

lena gorelik, mehr schwarz als lila, rezension, günter keilRatte, Alex, Paul. Zwei Mädchen, ein Junge. Siebzehn Jahre alt, eng befreundet. Alex trägt nur schwarze Klamotten, Paul hat schöne lange Finger, Ratte wäre gern ein Geheimnis. Die drei sind unzertrennlich. Bis eines Tages…

In „Mehr Schwarz als Lila“ (Rowohlt) erzählt Lena Gorelik eine Dreiecksgeschichte, aus der ein Viereck wird. Denn zu Ratte, Alex und Paul kommt Johnny, der junge Referendar, in den sich die Ich-Erzählerin Alex verliebt. Welche Dynamik entsteht, wenn aus drei Freunden vier werden, beschreibt Gorelik in einer lebendigen Sprache voll kurzer, heller Sätze. Sie bleibt nah bei ihren Figuren, und es es faszinierend zu lesen, wie die Jugendlichen sich gegenseitig und das Leben erkunden, erfühlen, erspielen. Gorelik fängt gekonnt ihr Staunen ein, ihre Enttäuschung, ihre Neugier. Alles in diesem Buch steht in Bezug zu Ratte, Alex und Paul. Das macht den Roman dicht, trotz seiner Leichtigkeit.

Eine hinreißende Geschichte über alles, was Freundschaft ausmacht – gepaart mit der Frage, ob das auch etwas mit Liebe zu tun haben kann. Lena Gorelik, die ohnehin nie schwach schreibt, hat mit ihrem fünften Roman eines ihrer besten Bücher vorgelegt.

Eine unkonventionelle Beziehung

gorelikNils und Sanela. Ein deutsches Mathegenie und eine jugoslawische Einwanderin. Zwei Außenseiter. Die Hauptfiguren in Lena Goreliks „Null bis unendlich“ (Rowohlt). Der Roman beginnt, als beide vierzehn Jahre alt sind. Nils multipliziert vierstellige Zahlen im Kopf, Sanela hat im Krieg ihre Eltern verloren. Die beiden freunden sich an und beschließen, abzuhauen. In Bosnien wollen sie das Grab von Sanelas Vater finden, doch die Mission scheitert. Auch die Beziehung der zwei Ausreißer zerbricht, Nils und Sanela verlieren sich aus den Augen. Fünfzehn Jahre später schreibt sie ihm einen Brief. Die beiden treffen sich, werden ein Paar. Ein unkonventionelles, schwieriges, und eines, das mit einer tödlichen Krankheit konfrontiert wird. Lena Gorelik ist ihren Figuren sehr nah, sie weiß alles über deren Wünsche und Abgründe, sie fühlt mit ihnen. Trotzdem kommentiert sie Nils´ und Sanelas Handeln mit einer wohltuenden Distanz, sie bewertet es mit leichter Lakonie. Das bewahrt den Roman vor zu viel Sentimentalität. Eine bewegende, gekonnt komponierte Geschichte über Freundschaft, Liebe und Abschied.

Meine umfassende Rezension erscheint im Magazin Münchner Feuilleton 10/15.

Der verrückte Onkel Grischa

gorelikFamilienromane? Oft zu lang, zu langweilig, zu langsam. Da musst erst die Münchner Autorin Lena Gorelik mit „Die Listensammlerin“ (Rowohlt) kommen, um zu zeigen, dass man in diesem Genre auch kreativ und komisch sein kann. Und trotzdem liebevoll und mitfühlend. Goreliks Hauptfigur Sofia, eine junge Mutter, legt Listen an, um sich im Alltag besser orientieren (und ablenken) zu können. Eines Tages findet sie in der Wohnung ihrer dementen Oma eine alte Listensammlung in kyrillischer Schrift. Sie stammt von ihrer Familie, die in den 70ern aus der Sowjetunion nach Deutschland kam. Das Besondere: diese Listen und Geschichten erzählen vor allem von Onkel Grischa, einem schrägen, unangepassten Typen. Seine Erlebnisse sorgen für einen gelungenen Kontrast zur Rahmenhandlung. Lena Gorelik springt gekonnt und spielerisch zwischen Gegenwart und Vergangenheit und wechselt die Perspektiven. Ach ja, und dann sind da noch die köstlichen Listen – von „Männern mit schönen Händen“, „Was ich Mama wünsche“ oder „Dinge, die Anastasia sammelt“. Ein Roman, der seine Leser toll unterhält und dabei ganz automatisch Leichtigkeit und Wärme verbreitet.