Im Interview: Timur Vermes

Drei Millionen verkaufte Bücher, erschienen in 43 Ländern. Verfilmt, 2,4 Millionen Kinobesucher, adaptiert fürs Theater, Schullektüre in zahlreichen Bundesländern. Das ist die Erfolgsgeschichte von Timur Vermes „Er ist wieder da“ von 2012. Soeben ist der neue Roman des 51-jährigen erschienen: „Die Hungrigen und die Satten“ (Eichborn), eine rasante Gesellschaftssatire über eine Massenflucht nach Deutschland. Ich habe gestern die Premierenlesung in München moderiert und Vermes interviewt:

Die Erwartungshaltung, dass Sie einen weiteren Mega-Bestseller abliefern, ist groß. Haben Sie diesen Druck beim Schreiben gespürt? Nein. Die Frage ist ja, ob man sich diesen Schuh anzieht oder nicht. Ich konnte mich gut davon freimachen, da ich ja schon bei „Er ist wieder da“ nicht ahnen konnte, dass es so ein großer Erfolg wird. Ich habe damals nicht gewusst, was meine Leser wollten und einfach nur getan, worauf ich Lust hatte. Das war jetzt wieder genauso – überraschenderweise merkte ich beim Schreiben: Oh, das ist anschlussfähig! Was die drei Millionen Käufer von „Er ist wieder da“ wollen oder erwarten, wusste ich nicht, und es spielte auch keine Rolle für mich.

Schon erstaunlich, dass Sie in den sechs Jahren seit Ihrem Debüt so gelassen geblieben sind. Wahrscheinlich habe ich den Vorteil, Anfang 50 zu sein und nicht Ende 20. In meinem Alter ist man dann doch ein bisschen entspannter. Außerdem habe ich ja auch einiges getan in dieser Zeit: Meine Nase ins Filmgeschäft gesteckt, Drehbücher geschrieben, ein Buch übersetzt, ein halbes Jahr bei der BUNTE gearbeitet, und letztlich zwei Jahre intensiv an meinem neuen Roman gesessen. Ich versuchte einfach, meine gute Laune zu behalten – das geht aber grundsätzlich nur, wenn ich bei der Basis meines Schreibens bleibe. Dazu gehört, dass ich ohne Druck arbeiten will.

Hat sich Ihr Leben durch den Erfolg verändert? Ja, gründlich. Früher war ich froh, wenn ich Jobs hatte. Jetzt kann ich entscheiden, was ich machen will. Meine Halbprominenz hat zum Beispiel dazu geführt, dass ich eine Kolumne über Comics schreiben kann; so habe ich mir einen alten Wunsch erfüllen können. In den vergangenen Jahren hat mich natürlich oft die Frage umgetrieben: Was will ich eigentlich aus meinem Leben machen? Ich genieße jetzt die wirtschaftliche Sicherheit, die als freier Journalist keine Selbstverständlichkeit ist. Aber diese neue Freiheit, dieses Privileg, ist natürlich auch eine Herausforderung. Damit umzugehen muss man lernen, denn man ist so etwas ja nicht gewohnt. Ich versuche jedenfalls, vernünftige Sachen zu machen.

In „Die Hungrigen und die Satten“ schreiben Sie über eine riesige Flüchtlingsbewegung, die in einem Lager in Afrika startet. Wann fiel der Entschluss, dies zu Ihrem neuen Thema zu machen?  Zu dem Zeitpunkt, zu dem sich jeder von uns damit beschäftigt hat: 2015. Ich sehe fern, lese Zeitung und informiere mich wie jeder andere auch, und so fiel mir nach einiger Zeit auf, dass die Reaktionen auf die Flüchtlingsfrage nicht rationaler wurden. Von Anfang an gab es die Willkommenskultur auf der einen Seite und die Ablehnung auf der anderen. Was aber genau passieren würde, wenn wir wirklich alle Flüchtlinge aufnehmen oder alle an der Grenze ablehnen würden, damit hat sich niemand beschäftigt. Mir kam es so vor, als ob beide Seiten, Linksaußen und Rechtsaußen, das Denken eingestellt hätten, und als ob niemand den Mumm hatte zu sagen, was wirklich in diesem oder jenem Fall passieren könnte.

Und dann haben Sie beschlossen, dies selbst zu tun? Ich habe mir zumindest gedacht: Dann helfe ich Euch mal dabei, dass Ihr Euch vorstellen könnt, wie das ist, wenn die Grenzen dicht sind und ein paar hunderttausend Flüchtlinge davor stehen. Meine Geschichte hat absolut nichts Enthüllendes oder Überraschendes. Sie arbeitet im Wesentlichen mit bekannten Elementen und Informationen. Jeder, der Nachrichten sieht, weiß, dass es so kommen könnte. Aber wie Schüler, die ewig das Erledigen ihrer Hausaufgaben rausschieben und hoffen, dass sie irgendjemand anderes macht, hat niemand ernsthaft so ein Szenario entwickelt.

3 Gedanken zu “Im Interview: Timur Vermes

  1. Hab ich gestern von meinen Kindern geschenkt bekommen und bin sehr gespannt. Sie sind extra zum Buchladen gepilgert um es zu kaufen, unwissend dass auch schon der Gatte es für mich just eine Stunde vorher im Buchladen ergattert hatte. Ich muss mit meiner Begeisterung über „Er ist wieder da“ Eindruck hinterlassen haben. Freue mich sehr mit dem Buch heute zu beginnen.

    • Das ist ja lustig – zweifach beschenkt! Ich wünsche Dir doppelten Lesegenuss! Mir gefällt der Roman sehr gut – eine Geschichte, die zum Diskutieren anregt.

  2. Ich lese das Buch gerade und bin wieder sehr erstaunt, wie Timur Vermes mit seinem Sarkasmus so pointiert schreiben kann. Das Interview gibt Aufschluss darüber, dass er auch noch ein sympathischer Autor ist. Die Fragen finde ich abwechslungsreich von dir ausgewählt! Nun muss ich endlich mal noch eine Lesung von ihm besuchen…

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