Irland im 18. Jahrhundert

Dorieann Ni Ghriofa: Ein Geist in der Kehle (btb, übersetzt von Cornelius Reiber und Jens Friebe)

„Als wir uns zum ersten Mal begegneten, war ich ein Kind und sie schon seit Jahrhunderten tot.“ Irland, im 18. Jahrhundert: Nach dem Mord an ihrem Mann trinkt eine Adelige eine Handvoll seines Blutes und verfasst ein außergewöhnliches Gedicht, das zum nationalen Mythos wird. Ein Trauergesang und Klagelied, das jede Irin kennt. Soweit die Vergangenheit. Dieses Buch spielt allerdings meist in der Gegenwart, in der Dorieann Ni Ghriofa als Ich-Erzählerin einige starke Verbindungen zwischen der Blut trinkenden Adeligen, ihrem Gedicht und sich selbst herstellt.

„Dies ist ein weiblicher Text“ schreibt Dorieann, und erzählt von ihrem Alltag als dreifache Mutter, von den Routinen und To-Do-Listen, von Geschirr, Kinderliedern, Milch, Wäsche, Einkaufstüten, Geburtstagsfeiern und Rechnungen. Wie verliefen wohl die Schwangerschaften der dichtenden Adeligen, wie deren Hochzeit, und wie war das als ihr Mann ermordet wurde? Dorieann forscht im Leben der anderen, recherchiert, liest alte Briefe und Dokumente, wird geradezu besessen vom Wunsch, der Adeligen nachzuspüren. Eine tiefe Verbundenheit entsteht.

Von der ersten Zeile an umgibt dieses Buch eine melancholische Stimmung und es stellt sich sogleich ein Gefühl von Poesie ein. Dorieann Ni Ghriofa erzählt allerdings auch bodenständig, mit klaren einfachen Sätzen, realistisch, persönlich. Dann folgen wieder Sprünge ins Damals, Auszüge aus alten Gedichten – abwechslungsreicher kann man ein Buch kaum konzipieren. Zwei Schriftstellerinnen, Jahrhunderte voneinander getrennt, hier jedoch auf ungewöhnliche Weise vereint.

Ich habe den Roman im Podcast LONG STORY SHORT vorgestellt – ihr hört alle Folgen hier.

2 Gedanken zu “Irland im 18. Jahrhundert

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