Kurze Geschichten, die lange anhalten

„Der Alltag war ein gefräßiges Tier. Er saugte uns den die Kraft und die Fröhlichkeit aus den Gliedern und wurde immer mächtiger.“

Sie sind kaputt, erschöpft, verzweifelt, doch sie können sich Verzweiflung nicht leisten, und auch sonst fast nichts. In „Aminas Lächeln“ (Kunstmann) rückt Björn Bicker Randfiguren in den Mittelpunkt, Menschen, die anders sind als die Mehrheit, zum Beispiel weil ihre Eltern oder Großeltern einst aus einem anderen Land gekommen sind. Oder wegen ihrer Religion, ihrem Hijab, ihrer sexuellen Orientierung.

In 10 Kurzgeschichten, die mitten ins Herz treffen, erzählt Björn Bicker von Frauen, Männern und Kindern, die im Münchner Bahnhofsviertel leben oder sich dort treffen. Momentaufnahmen aus der Unterschicht, aus Pflegefamilien, Kleiderkammern, Baklavaläden oder Beratungsstellen. Die Protagonist*innen erleben Gewalt, ringen um ihre Identität und kämpfen um Menschlichkeit. Und Amina, eine junge Muslima, schlägt in der U-Bahn einen Mann nieder, der ihr ins Gesicht gespuckt hat.

Mit seiner dynamischen, direkten Sprache beschönigt der Münchner Autor nichts. Im Gegenteil: Er folgt seinen Figuren dorthin, wo es weh tut, und so werden aus den short stories lang anhaltende, intensive, schmerzhaft realistische Einblicke. Genau das richtige Buch zum dritten Jahrestag der rassistischen Anschläge von Hanau.

Ich habe den Roman in meiner Literatursendung bei egoFM vorgestellt – ihr hört die Show hier im Stream (ohne Musik).

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s

Diese Seite verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden..