Sechs russische Frauen in einer Zelle

Kira Jarmysch, die Pressesprecherin von Alexej Nawalny, dem russischen Oppositionspolitiker, ist eigentlich Journalistin. Und seit kurzem auch Romanautorin. Warum das gut zusammenpasst? Nun, im Januar ist Kira wegen eines Aufrufs zu Demonstrationen festgenommen worden, und in ihrem Debütroman spielen gleich sechs verhaftete russische Frauen die Hauptrollen.

DAFUQ heißt dieses brisante Buch, das soeben bei Rowohlt Berlin erschienen ist (übersetzt von Olaf Kühl). Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive von Anja Romanowa. Die 28-jährige muss für zehn Tage in ein Moskauer Gefängnis, weil sie – wie Kira – zu einer Demo aufgerufen hat. Eine pure Willkür-Strafe also, der typische Versuch von Einschüchterung der kritischen Bürger*innen. Der Roman beginnt an dem Tag, an dem Anja ihre Strafe in der Arrestanstalt antritt: Sie muss sich ihre Zelle mit fünf anderen Frauen teilen. Mit Maja, Irka, Katja, Natascha und Diana. Sechst verurteilte Frauen in einem Raum, das bedeutet: sechs Leben, sechs Persönlichkeiten, sechs Schicksale prallen aufeinander. Und so lernt Anja ihre Mitbewohnerinnen mit jedem Tag besser kennen – sie spürt ihren Spott und ihr Misstrauen, ihre Empathie und ihre Verbundenheit.

Kira Jarmysch protokolliert alle zehn Tage und Nächte im Knast. Sie schaut genau hin und gibt intensive Einblicke in eine Welt, die normalerweise verschlossen bleibt. Kira zeigt, wie die sechs Frauen diesen Irrsinn ertragen, wie sie sich arrangieren, wie sie verzweifeln und sich unterstützen. Wie sie lachen und weinen, was sie träumen und im Gefängnis vermissen. Mit jedem weiteren Tag fühlt man sich als Leser*in den Frauen immer näher, und es scheint fast so, als ob man bei ihnen in der Zelle wäre. Ein Roman, der die Widersprüche des heutigen Russlands in einem Raum bündelt. Kira Jarmysch schreibt in einem lässigen Ton, der mal rau und mal zärtlich rüberkommt. Eine mitreißende Doku über Willkür und Repression, Freiheit und Aufbruch.

Ich habe den Roman in meiner Literatursendung auf egoFM am 25. September vorgestellt. Zur Show hier. 

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