Türkisches Gefängnis-Grau

Manchmal nimmt die Literatur die Wirklichkeit voraus. Aslı Erdoğan schrieb 2009 „Haus aus Stein“ ihre bekannteste Erzählung, die jetzt erstmals auf Deutsch bei Penguin erscheint. In starken, schweren Worten und mit düsteren Bildern schildert die türkische Schriftstellerin darin einen Gefängnisaufenthalt.

2016 wurde Erdoğan selbst überraschend und ungerechtfertigt verhaftet und ins Frauengefängnis Bakırköy-Istanbul gesperrt. Für 132 Tage. All ihre Unterlagen wurden beschlagnahmt. Das Verfahren läuft weiter, sie wurde bis heute nicht freigesprochen. Ein Skandal, ein Alptraum, ein weiterer von tausenden Beweisen, dass kritische Stimmen in der Türkei zum Schweigen gebracht werden. Willkürlich und brutal.

Aus dem Exil in Berlin hat Aslı Erdoğan das Vorwort zu „Haus aus Stein“ verfasst: „Dieses Buch ist ein aus Worten geschaffenes Grabmal, eine Klage um einen wirklichen Toten, ein stets unvollendet bleibender Abschied.“ heißt es darin. Und tatsächlich: Ihr Text um Mauern, Steine und das Gefängnis-Grau, um Schreie und Blut, ist politisch, persönlich und poetisch.

„Meine Blicke durchbohren Steine, durchbohren ganze Stockwerke, durchbohren Dächer und gar die Decke des sich herabsenkenden Himmels, und dann steigen sie empor in die Tiefen der Finsternis. Ich stehle die Nacht dieser Welt und bringe sie zu uns herab.“

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