Wie stark ist der Krimijahrgang 2017? Nachdem mich das Goethe-Institut um eine Analyse bat, stürzte ich mich in die Recherche. Hier eine Zusammenfassung:
Die Plots werden politischer. Zwar ist die Nähe zur brisanten Wirklichkeit im Krimigenre nicht neu, momentan gilt sie jedoch geradezu als Erfolgsfaktor. Beste Beispiele: Max Annas´ „Illegal“ (Rowohlt), Marc Oliver Bischoffs „Die Sippe“ (Grafit) und Achim Zons´ „Wer die Hunde weckt“ (C.H. Beck). Vor kurzem erschienen zudem Petra Reskis starker Anti-Mafia-Roman „Bei aller Liebe“ (Hoffmann und Campe), der sehr gelungene Hamburg-Krimi „Beton Rouge“ (Suhrkamp) von Simone Buchholz, Zoe Becks spannender Krimi „Die Lieferantin“ (Suhrkamp) und Elisabeth Herrmanns Cleanerin-Thriller „Stimme der Toten“ (Goldmann).
Der Herbst wird besonders politisch: Christian v. Ditfurth veröffentlicht im August den herausragenden Terror-Thriller „Giftflut“ (carl´s books), Wolfgang Schorlau taucht im November in die Kontroverse um Milliardenkredite für Griechenland ein – „Der große Plan“ (Kiepenheuer & Witsch).
Aber es geht auch ohne Politik, mit starken, mordenden Frauen: In Martina Heibs „Drei Meter unter Null“ (Heyne) und in Bernhard Aichners „Totenrausch“ (btb). Dass eine blinde Verhörspezialistin und Fallanalytikerin ihre männlichen Kollegen aussticht, zeigt Andreas Pflüger ab Oktober in „Niemals“ (Suhrkamp). Auch Regionalkrimis bleiben weiter extrem erfolgreich. Aber leider oft auch sehr durchschnittlich.
Unter literarischen Aspekten erreicht das Krimijahr 2017 im Herbst seinen Höhepunkt. Drei der besten deutschen Spannungsautoren veröffentlichen ihre neuen Werke spät: Oliver Bottinis Roman “Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens” (DuMont) führt seine Leser nach Rumänien. Jan Costin Wagner setzt seine Reihe um den Polizisten Kimmo Joentaa fort: „Sakari lernt, durch Wände zu gehen“ (Galiani) erscheint im November.
Zuvor sorgt schon im September Friedrich Ani in „Ermordung des Glücks“ (Suhrkamp) für hochwertige Entschleunigung: Seine Hauptfigur ist der bedächtigste Ermittler der zeitgenössischen deutschen Kriminalliteratur, und dessen zweiter Fall wird sehnlichst erwartet.
Fazit: Ein sehr guter Jahrgang!